Weibliche Überlebensstrategien in der Weimarer RepublikMarieluise Fleißer: Eine Zierde für den Verein

Marieluise Fleißer: Eine Zierde für den Verein. 

Roman vom Rauchen, Sporteln, Lieben und Verkaufen. 
Gekürzte Lesung mit Musik. 2 CDs, 120 Min., ISBN 978-3-939529-10-1, 17,90 Euro.
 

 Der Regensburger LOHRBär-Verlag hat in den letzten Jahren schon mit einer ganzen Reihe von sorgfältig gestalteten Hörbüchern zu interessanten literarischen Themen auf sich aufmerksam gemacht. Die neueste Produktion ist nun schon vor der offiziellen Vorstellung in die aktuelle Bestenliste des Hessischen Rundfunks gelangt. Das Hörbuch widmet sich einer der wichtigsten bayerischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Es bietet einen Textquerschnitt aus Marieluise Fleißers (1901-1974) einzigen Roman „Eine Zierde für den Verein.“ Als das Werk 1931 erschien, wurde es von den Nazis auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt. Zu deutlich hatte Fleißer in diesem Werk die Grundzüge und Mechanismen der nationalsozialistischen Ideologie nachgezeichnet und entlarvt.

Die Erzählung dreht sich um die Lebensperspektive der Frauen und Mädchen in der kleinbürgerlichen Welt der Handwerker, Händler und Dienstmädchen einer bayerischen Provinzstadt Ende der 1920er Jahre. Als Vorbild diente Ingolstadt, die Heimat der Autorin, deren Biografie und Charakterzüge sich in den weiblichen Hauptrollen widerspiegeln.

Hauptperson ist die Händlerin Frieda Geier, die sich durch den Verkauf von Mehl mühselig den Lebensunterhalt verdient. Sie ist eine eigensinnige, nach Unabhängigkeit strebende Person und will sich nicht dem Diktat ihres Geliebten, dem ehemaligen Sportschwimmer und späteren Tabakverkäufer Gustl Amricht beugen. Der Wunsch, ihrer jüngeren talentierten Schwester Linchen eine gute Ausbildung zu ermöglichen und ihr damit ein chancenreicheres Leben, als sie selbst hatte, zu ermöglichen, gibt ihr die Kraft zum Widerstand. All ihre Opfer aber erscheinen letztlich vergebens, denn die Schwester wird von Gustl erpresst und letztlich sogar missbraucht. Linchen ist Gustl aufgrund ihrer Erziehung schutzlos ausgeliefert. Fleißer schildert in knappen, treffenden Sätzen die unerträglichen Zwänge in einem katholischen Mädcheninternat jener Zeit. Sie beschreibt mit Hilfe vieler Details diese Erziehung, die kein Platz lässt für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, dagegen aber blinden Gehorsam abfordert und darauf abzielt, jeden eigenen Willen zu brechen.

Die ausdrucksstarke und vielseitige Regensburger Schauspielerin Eva Sixt ist die ideale Besetzung für diese Erzählung. Es gelingt ihr, die Grundhaltung der Schriftstellerin - Fleißer umreißt nur in kurzen, emotionslosen Schilderungen die Lebensumstände ihre Romanfiguren - mit ihrer Stimme exakt nachzuzeichnen. Von Sixt stammt auch die Textauswahl, bei der sie mit viel Gespür für das Anliegen der Autorin die zentralen Aussagen über die Rolle der Frauen in dieser unbarmherzigen Kleinstadtidylle zu einem stimmigen Bild zusammenfügte. Norbert Vollath übernahm die Komposition der musikalischen Sequenzen zwischen den einzelnen Textpassagen. Mit Bassklarinette, Sopransaxofon und Shruti Box zeichnet er einfühlsame Klangbilder der agierenden Personen und der jeweiligen Stimmungslage.

Dr. Chr. Riedl-Valder, in: Passauer Neue Presse 08.11.2011