Freundschaft unter Männern

Roland Scheerer beschreibt in seinem Romandebüt voller Selbstironie das Leben der heute Vierzigjährigen

 

Das Malen mit Fingerfarben, Mandalas aus Naturmaterial, die Ökobewegung, Günter Grass und Milan Kundera, Protestaktionen gegen die Startbahn West, das Atommülllager Gorleben und die Republik Freies Wendland, Thomas Gottschalk und Fritz & Hits, Trennkost, Mülltrennung und Tamagotchi, der Balkankonflikt und der 97-er Studentenstreik – das alles sind Facetten aus dem Leben der Generation, die Anfang der 1970er Jahre geboren wurde. Roland Scheerer erzählt ihre Geschichte anhand der Biografien zweier Freunde, die sich zum ersten Mal als Grundschüler an einem Strand in Jugoslawien über den Weg laufen. Zufällig stammen beide aus dem gleichen kleinen Dorf in der Hallertau. Nach dem Urlaub intensivieren sich die Familienbeziehungen und die Wege der Jungen kreuzen sich in den nächsten Jahrzehnten immer wieder. Die Hauptfigur Kordian, von dem man keinen Familiennamen erfährt, trifft seinen Freund Marcus Bleiziffer auf dem Gymnasium und an der Universität wieder. Gemeinsam machen sie ihre Erfahrungen in den Lehranstalten, der Clique, bei der Emanzipation vom Elternhaus, bei ersten Liebesbeziehungen und den Protestaktionen der Studentenzeit. Ihre Wege trennen sich, als Kordian zu Studienzwecken nach Polen aufbricht; Bleiziffer dagegen verschlägt es nach einer gescheiterten Liebe nach Istrien.

Jean Pauls Aussage: „Ein Roman ist eine veredelte Biografie“ trifft hier sicher zu. Der 39-jährige Autor hält in diesem Buch seiner Generation den Spiegel vor, schildert detailreich – von der angesagten Auto- und Schuhmarke über den Kühlschrankinhalt bis zum Garten-, Balkon- und Wohnambiente – deren Lebensumstände, Sehnsüchte und gescheiterten Träume. Mit feinem Gespür geht er den unterschiedlichen Facetten des männlichen Selbstbewusstseins nach und bringt sie in den entlarvenden Reflexionen der Hauptfigur und in treffenden Dialogen und Statements zum Ausdruck: „Wir Männer sind...aufrechte Trottel. Die Frauen können uns immer drankriegen, merk dir das. Aber merk dir eins, Kordi, sie werden uns ewig um eins beneiden. Was ihnen nämlich allen zusammen fehlt, ist Aufrichtigkeit. Ich und du, Kordi, ein Mann und ein Mann, sitzen hier zusammen... und können uns jederzeit in die Augen sehen. Und genau das ist der Unterschied.“ Anhand der Geschichte zweier Freunde und vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse erhalten in Scheerers Roman aber noch andere wichtige Themen großen Stellenwert: Gesellschaftskritik, Liebe, Sex und nicht zuletzt die Frage nach dem Sinn und den Grenzen der menschlichen Existenz. Besonders reizvoll für die Leser aus der Region sind die vielen Bezüge zu Regensburg - ausführlich kommt zum Beispiel die legendäre Studentenkneipe „Jenseits“ zu Ehren - und zur Gegend um Pfaffenhofen, wo der Autor aufwuchs und die Schule besuchte.

Roland Scheerer: Die Welt ohne Bleiziffer, lichtung verlag, Viechtach 2013, 19,80 Euro, ISBN 978-3-941306-06-6

Der Autor und Fotograf Roland Scheerer, Jahrgang 1974, studierte in Regensburg, Warschau und München Geschichte, Germanistik und slawische Sprachen. Er unterrichtet am Gymnasium in Pfaffenhofen und lebt mit seiner Familie in Wolnzach. 2010 erschien sein Gedichtband „Die Ilm Tagebücher“.


Dr. Chr. Riedl-Valder

aus: Mittelbayerische Zeitung vom 26.01.14.