Ein unverblümter Blick auf Bayern

Der Bayerwald-Fotograf Herbert Pöhnl hinterfragt das Klischee


„Das Paradies liegt so nah... grenzenlose Waldwildnis, Landlust pur, Wohlfühloasen der besonderen Art, Wanderfreuden und Wellness erleben, traditionelle Heimat- und Hüttenfeste, Genießertage in urigem Ambiente“ – so werben die Tourismusbroschüren für den Bayerischen Wald. Hochglanz­fotos zeigen idyllische Dorfansichten, bodenständige Waidlerhäuser, eingebettet in Wiesen und Wälder, naturbelassene Höhenzüge in üppigem Frühlingsgrün, das Feldkreuz vor sommerlichen Getreidefeldern, gut gelaunte Wanderer oder Einheimische in Tracht auf einsamen Berggipfeln und vor romantischer Landschaftskulisse. Auch die meisten Urlauber und Tagesausflügler suchen für ihre Schnappschüsse und Erinnerungsfotos eine möglichst „schöne“ Ansicht. Strommasten, Verkehrsschilder, Mülltonnen, Reklametafeln, Baustellen und ähnliche triste Objekte wirken sich dabei störend aus und werden möglichst vermieden, um das malerische Bild einer Landschaft oder eines Ortes zu erhalten.

Im Gegensatz dazu geht der aus Furth im Wald stammende Herbert Pöhnl andere Wege. Er hat sich vorgenommen, die Oberpfalz und Niederbayern jenseits ihrer Schokoladenseiten zu dokumentieren. Mit seinen Schwarz-Weiß-Fotografien und satirischen Texten stellt er den unsensiblen Umgang mit traditionellen Werten und die Vermarktung seiner Heimat bloß. Herbert Pöhnl wurde 1948 geboren und lebt heute in Viechtach. Der Fotograf und Redakteur arbeitet seit vielen Jahren für das ostbayerische Kulturmagazin „lichtung“. Seine Bilder waren seit 1976 bereits in zahlreichen Ausstellungen zu sehen und wurden in einer Reihe von Publikationen und Zeitschriften veröffentlicht. Seit rund fünfzehn Jahren ist Pöhnl auch mit seinen Kabarett-Programmen „Wo bitte ist Hinterbayern?“ und „koawerbungned“ in der Region unterwegs. 1996 brachte er in Zusammenarbeit mit den beiden Autoren Karl Krieg und Bernhard Setzwein ein Buch unter dem Titel „HinterBayern“ heraus. Die darin enthaltenen Bilder zeigen Landschaften, die von Schnellstraßen zerschnitten werden, eine Ruhebank vor gesichtslosen Betonbauten, eine Kapelle, eingerahmt von meterhohen Reklameschildern, eine Waldlandschaft, in die eine breite Schneise für einen Skihang mit Liftanlage geschlagen wurde, Bayernlöwen aus Gussbeton vor einem Einfamilienhaus auf dem Land, ein Feldkreuz vor modernen Apartmentblöcken und Müllkontainer vor einer Holzwand mit Marterln. Ihre Botschaft spiegelt sich in den dazu abgedruckten Texten: „...finden wir vor lauter Straße den Wald nicht mehr...kurvenbereinigt und autobahnangeschlossen / schön übersichtlich treffen wir uns doch wieder frontal beim Überholvorgang...“ (B. Setzwein). Auch in seinem Bildband „Heimat bitte lächeln“, das 2004 im lichtung Verlag erschien, kommentieren Fotos und Texte sarkastisch die Auswüchse, zu denen der Modernisierungswahn und das Tourismusgewerbe im Bayerischen Wald und seiner Umgebung geführt haben.

In seinem neuen Fotobuch „hinterbayern_inside“ hat Pöhnl nun eigene satirische Texte, die aus seinen Kabarett-Programmen entstanden sind, zu einer Erzählung verknüpft. Sie handeln von einem kleinen Dorf in Bayern, das mit geeigneten Mitteln möglichst viele Touristen anlocken will. Die Bürger sind hin- und hergerissen, wie weit sie in ihren Bemühungen gehen sollen. Die Gefahr, die eigene Heimat, Identität und Tradition zugunsten lukrativer Geschäfte zu verraten, lauert beständig. Der beschriebene Ort könnte überall sein. Aber in Wirklichkeit ist er nur eine Erfindung Herbert Pöhnls. Überall dort, wo „Heimat zum Sperrmüll wurde und Brauchtum zweckentfremdet wird“, liegt „Hinterkirchreuth". Herbert Pöhnl ist aber keiner, der moralisierend den Zeigefinger erheben möchte. Vielmehr ist es ihm ein Anliegen, die realen Zustände und Alltagssituationen in den Orten und Landschaften Ostbayerns zu dokumentieren. Die Irritation, der Anstoß zum Nachdenken und auch das Schmunzeln über so viel Widersprüchliches im Bild ergibt sich beim Betrachter seiner Fotografien ganz von selbst.

Chr. Riedl-Valder

Herbert Pöhnl. hinterbayern_inside. 200 Seiten, 96 Schwarz-Weiß-Fotografien, ISBN 978-3-941306-07-3, 24,80 Euro.