Der Barde von Laaber

 Vollblutmusiker Thomas Dürr erweckt mittelalterliche Hofmusik zu neuem Leben

Musiker Thomas Dürr

Vom kleinen beschaulichen Marktplatz führt hinter dem Brunnen mit dem Löwenkopf eine schmale Gasse steil bergauf. Hat man den mittelalterlichen Torturm passiert, trifft man nach wenigen Schritten in der Burggasse auf das „Hademar-Haus der Musik“. Das alte, sorgsam renovierte Gebäude, dessen Bruchsteinmauerwerk noch aus dem Mittelalter stammt, beherbergt Museum, Konzertbühne, Tonstudio und Musikwerkstatt. Sein Eigentümer Thomas Dürr ist ein musikalisches Multitalent. Er schuf mit diesem Haus eine Gedenkstätte für den berühmtesten Minnesänger der Oberpfalz, dessen Persönlichkeit er mit dieser Einrichtung bekannter machen will und in dessen Nachfolge er sich sieht. Gleichzeitig hat er sich hier eine neue Wirkungsstätte für seine vielseitigen musikalische Aktivitäten eingerichtet.

Der einstige Stammsitz des ritterlichen Dichters ragt seitlich über dem Haus auf dem Felsmassiv des Burgberges als imposante Ruine empor. Hadamar wurde um das Jahr 1300 geboren und gehörte dem adeligen Geschlecht der Herren von Laaber an, das etwa zwanzig Kilometer nordwestlich von Regensburg liegt. Er lebte zur Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern, in dessen Diensten er stand. Seine Liebeserzählung „Die Jagd“, die er zwischen 1335 und 1340 schrieb, war an den europäischen Fürstenhöfen äußerst beliebt und wurde oft nachgeahmt. Thomas Dürr hat dieses dramatische Minnelied neben vielen anderen Stilrichtungen der Musikgeschichte intensiv studiert Seine Konzertprogramme stellt er jedes mal individuell nach den Wünschen und Vorlieben des jeweiligen Publikums zusammen. Mit Vorliebe kleidet er sich dazu in historische Gewänder und singt die Texte zur Laute oder zum Portativ, einer kleinen, tragbaren Pfeifenorgel, die auch von den mittelalterlichen Spielleuten benutzt wurde. Auch der sogenannte „Streichpsalter“, eine Mischung aus Hackbrett und Zither, der sehr sanft klingt und zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert gern benutzt wurde, passt in die Zeit des Minnesangs. Der Musiker fasziniert damit seine Zuhörer auf die gleiche Weise wie einst Hadamar. Man spürt bei seinen Auftritten, dass er sein Leben ganz und gar der Welt der Klänge verschrieben hat.

Thomas Dürr wurde 1967 in Kelheim geboren, ist auf einem Hof in Painten aufgewachsen und erzählt von sich, dass er seit dem Säuglingsalter vor allem von Schwingungen und Schallwellen geprägt wurde und vor dem Sprechen schon das Pfeifen erlernt hat. In seiner Familie wurde seit Generationen musiziert und gesungen. Die Begabung hat er vom Vater geerbt, einem hervorragenden Sänger, Klarinettisten und Saxophonisten. Im Alter von sechs Jahren begann er mit dem Musizieren. Sein erstes Instrument war ein Akkordeon, aber im Laufe der Zeit lernte er es, eine Vielzahl von Instrumenten zu beherrschen. Seit über zwei Jahrzehnten arbeitet er nun als Musiklehrer, insbesondere auch für Kinder mit Behinderung, Er ist Leiter des Musikvereins Painten und seit 2000 hat er auch das Amt des Kreismusikpflegers von Kelheim übernommen. Die Realisierung und Finanzierung seines Lebenstraumes, dem „Hademar-Haus der Musik“, kosteten ihn und seiner Familie, zu der Ehefrau Daniela und der wiederum musikalisch hochbegabte Sohn Amadeus gehören, viel Energie und Durchhaltevermögen. Allein über 6000 Handwerksstunden hat Dürr schon für das Anwesen aufgewendet.

Sein größtes Anliegen ist es, die Freude am Musizieren zu vermitteln. Thomas Dürr schwört auf die Heilkräfte der Musik. Er ist fest davon überzeugt, dass Töne und Klänge eine machtvolle Wirkung auf Körper und Geist ausüben. Seiner Meinung nach kann jeder Mensch mit der eigenen Stimme seinen gesundheitlichen Zustand verbessern, die Funktion der Organe unterstützen und Stimmungstiefs überwinden. Mit Trommeln lässt sich beispielsweise sogar der Pulsschlag beeinflussen. Seine Besucher animiert er deshalb gern dazu, ihren persönlichen „Oberton“, das heißt, die charakteristische Klangfarbe der eigenen Stimme, zu finden. Die Schwingungen dieses speziellen, individuellen Tons wirken sehr anregend auf den gesamten Organismus.

Der Musiker mit dem Pferdeschwanz besitzt auch eine riesige Sammlung von Klangerzeugern. Sein „musikalisches Panoptikum“ hat er in der Museumsabteilung seines Hauses ausgestellt. Die Vitrinen bergen mehr als hundert Instrumente vielfältigster Art aus allen Regionen der Erde und allen Epochen der Musikgeschichte. Von klingenden Kalkplatten über Artefakte aus der Urnengräberzeit, Knochenpfeifen, Baumstammtrommeln, Signalhörner, keltische Lyra, ägyptische Laute, indische Shruti-Box, philippinische Maultrommel, einer großen Mundharmonika-Sammlung, Brezentrompete, Flöten verschiedenster Art, einer Schamanentrommel der Black Foot Indianer bis hin zu dem Ende der 1960er Jahre von dem amerikanischen Jazz-Gittaristen Emmed Chapman entwickelten elektrischen Saiteninstrument, dem Chapman Stick – dem einzigen in Bayern - ist hier alles vertreten. Das meiste hat er selbst zusammengetragen, einige Teile haben ihm Freunde aus dem Urlaub mitgebracht. Mit dieser Sammlung kann Thomas Dürr für seine Zuhörer eine musikalische Welt- und Zeitreise in alle Winkel des Globus und von der Steinzeit bis zur Neuzeit veranstalten. Die gesamte Entwicklungsgeschichte der Musikinstrumente lässt sich damit erklären. In jahrelangem Studium, Forschungsarbeiten und Experimenten hat er sich das notwendige Fachwissen angeeignet, damit er die Geschichte, die Hintergründe und die Techniken der einzelnen Objekte anschaulich vermitteln kann. Im Laufe der Zeit entwickelte er für seine Vorführungen auch ein vielseitiges Konzept, das als "musikalische Reise durch die Zeit und die Kulturen" bei Zuhörern aller Altersstufen bestens ankommt. Verlockend für die Besucher in „Hadamars Haus der Musik“ ist die Tatsache, dass jeder seiner Klangerzeuger angehört, angefasst und gespielt werden darf.

Manche seiner Instrumente hat Dürr sogar selbst erfunden und gebaut; zum Beispiel eine Kombination aus Orgelpfeife, slowenischer Hirtenflöte und Bassblockflöte – drei Instrumente in einem! Eine Bierflaschen-Panflöte fertigte er für eine Ausstellungseröffnung von Herbert Achternbusch und untermalte damit die Veranstaltung mit sphärischen Klängen. Für seine steierische Harmonika, die er selbst konstruierte, gelang es ihm, das ideale Material, nämlich vierhundert Jahre altes Holz aufzutreiben. Im Moment experimentiert er damit, wie man aus Schneckenhäusern eine Panflöte herstellen kann. Dürrs Kreativität erstreckt sich auf alle Lebensbereiche. Als einmal beim offiziellen jährlichen „Goaßen-Auftrieb“ auf die Laaberer Burg plötzlich der Schäfer mit seinen Tieren fehlte, stimmte der Musiker selbst das „Mäh“ an, der Bürgermeister und übrige Gäste fielen mit ein und zogen in bester Stimmung und musikalischer Umrahmung den Berg ohne die Schafe hoch.

Einige der Ausstellungsstücke haben eine abenteuerliche Vergangenheit hinter sich oder eine ganz besondere Geschichte zu erzählen. Ein Waldhorn, das an der Wand hängt, stammt aus dem Besitz seines Großvaters, der in sibirischer Gefangenschaft eine Musikkapelle begründete und nach seiner Freilassung 1949 seine Instrumente den weiten Weg nach Hause zu Fuß schleppte. In Gedenken an ihn hat Dürr mit diesem Horn eine „Musikantenwallfahrt“ nach Altötting auf Schusters Rappen durchgeführt und überall, wo sich auf der Strecke die Gelegenheit bot, damit aufgespielt. Für die Herstellung einer eigenen Schamanentrommel holte er sich den Rat eines echten Medizinmannes aus Kanada. Nachdem die technischen Fragen geklärt waren, verriet ihm der Spezialist noch eine Besonderheit. Die Trommel erhält nämlich erst dann ihren individuellen Ton, wenn der zukünftige Besitzer vier eigene Dinge in ihren Rahmen einbaut. Auf die Frage, um welche Gegenstände es sich dabei handeln soll, erhielt der Musiker nur die Antwort, dass sich das von selbst ergeben müsse. Und so geschah es auch. Heute birgt Dürrs Schamanentrommel vier Geheimnisse, die ihr einen außergewöhnlichen Klang verleihen. Auf die „Rauschkopfflöte“, eine musikalische Rarität, stieß er in einem Geschäft am Gardasee, als er mit seiner Familie dort Urlaub machte. Das Instrument trug zufällig den Namenszug „D.T.Laber“ und war schon aus diesem Grund offensichtlich für die Dürr`sche Sammlung vorbestimmt. Eine handgefertigte Geige der Tarahumara-Indianer, die im Norden Mexikos leben, ist ebenfalls ein ganz besonderen Einzelstück. Sie beweist das große handwerkliche Geschick dieses Volkes, das von Missionaren, die diese Begegnung vermutlich nicht überlebten, zum Geigenspiel angeregt worden war.

Modernste Technik erlaubt es Thomas Dürr, mit sich selbst im Quintett zu singen, indem er nacheinander die einzelnen Stimmen aufnimmt. In seinem Tonstudio steht er kurz vor der Vollendung einer neuen CD. Sie heißt „Kini“ und präsentiert bayerische Volkslieder in Mundart und Hochdeutsch mit neuem musikalischem Gewand. Das reicht über den Zwiefachen, Rock- und Reggae- bis zur Popmusik. Alle Arrangements sind selbst gemacht. Damit will der Musiker das bayerische Volksgut, dessen Texte gar nicht so brav sind, wie man landläufig meint, für die Jugend wieder populär machen. Die Teenager liegen Thomas Dürr überhaupt sehr am Herzen. Wenn ihn Schulklassen besuchen, widmet er sich besonders den „Null-Bock-Typen“. Mit seiner Vorführung und seinen Geschichten lockt er sie aus der Reserve. „Wenn du mit 14, 15 Jahren anfängst, dann kannst du mit 25 Jahren ein wirklich super Gitarrist sein“, lautet eine seiner Botschaften. Was er damit sagen will: Man braucht im Leben ein Ziel und den Optimismus, das man es erreichen kann.

Nächste Konzerte im Hademar-Haus der Musik, Laaber, Burgweg 6, am Samstag 20.7. und 3.8. um 19.00 Uhr, Sonntag 21.7. und 4.8. um 15.00 Uhr. Informationen über die neue CD und weitere Veranstaltungen unter www.hademar.de

 

Chr. Riedl-Valder

aus: Altbayerische Heimatpost, 65. Jg., Nr. 27 (1.7. - 7.7.), 2013, S. 6f.

Thomas Dürr mit Hirten-Bassblock-Flöten-Orgelpfeife

Thomas Dürr mit Hirten-Bassblock-Flöten-Orgelpfeife

Fotos: Chr. Riedl-Valder