Die Welt als Schein und Wirklichkeit

Der Fotokünstler Wilkin Spitta

Fotograf Wilkin Spitta

Foto: Wilkin Spitta

Wilkin Spitta gelingt es, mit Hilfe der Kamera das festzuhalten, was der erste Blick nicht enthüllt. Seine Fotos fangen von einer Landschaft, einem Bauwerk, einem Objekt oder einem Menschen oft viel mehr ein, als die bloße Wiedergabe des Motivs. Er ist vor allem ein Meister für die mit Licht gezeichneten Stimmungen in der Natur und im umbauten Raum. Als freier Mitarbeiter internationaler Zeitschriften- und Buchverlage hat er die ganze Welt bereist. Heute, nach über sechzig Jahren Berufstätigkeit, gehört er zu den erfolgreichsten Lichtbildnern Bayerns.

Diese Meisterschaft kommt nicht von ungefähr. Von Kindesbeinen an hat sich Spitta in der perfekten Handhabung von Fotoapparaten, Ablichtungs- und Vergrößerungstechniken geübt. Dazu erzählte sein Regensburger Kollege Horst Hanske im Vorwort des Kataloges „Böhmische Dörfer“, der zu einer gemeinsamen Ausstellung 2001 erschien, eine interessante Geschichte aus dessen Kindheit: „1937 bekam Wilkin Spitta von seinem Großvater in Schlesien eine Leica geschenkt. Da war er gerade neun Jahre alt und er zerlegte das gute Stück erst einmal, bevor er es wieder ordentlich zusammensetzte und damit die ersten Fotos machte.“

Wilkin Spitta wurde 1928 in Breslau geboren und wuchs in verschiedenen Städten Deutschlands auf. Seit 1947 lebt er in Bayern. Nach dem Abitur studierte Spitta Kunstgeschichte, Physik und Chemie. Doch hängte sein Studium bald an den Nagel, weil ihn die Fotografie mehr interessierte. Ab 1949 wohnte Spitta in Regensburg. In den 50er Jahren arbeitete er dort als Fotojournalist für die Mittelbayerische Zeitung, lieferte die Bebilderung für viele Hochglanzbroschüren des Regensburger Fremdenverkehrsbüros und des Tourismusverbandes Ostbayern. Immer mehr rückte jedoch die Tätigkeit für Magazine wie den „Stern“, für Fotoagenturen und für Buchpublikationen in den Mittelpunkt. Autoren und Verleger honorieren Spittas Kompromisslosigkeit, mit der er versucht, jedes Objekt optimal vor die Linse zu bekommen, und seine Sensibilität, mit der er das Wesen einer Landschaft zu einer bestimmten Tages- oder Jahreszeit und die Aussagekraft eines Bau- oder Kunstwerkes einfängt. Auch Achim Hubel, Professor für Denkmalpflege an der Universität Bamberg, schätzt die Zusammenarbeit mit Spitta, weil dieser ein Perfektionist ist und höchste Maßstäbe an seine Fotos stellt. Bei der Architekturfotografie hat Spitta, wie Hubel sagt, ein sicheres Gefühl dafür, zu welcher Tageszeit sich die Räumlichkeit eines Gebäudes oder eines anderen dreidimensionalen Objektes sich am besten auf das zweidimensionale Foto übertragen lässt. Für kleinere Objekte, die er mit Kunstlicht im Atelier ablichten kann, fährt er alle technischen Raffinessen auf – Scheinwerfer, Reflektoren, transparente Hintergründe und anderes, - um ein optimales Abbild zu erzielen.

Spitta prägte mit seiner Fotografie bislang weit über dreihundert Bildbände, Reise- und Kunstführer. Er ist immer gefragt, wenn höchste künstlerische Ansprüche an die Aufnahmen gestellt werden. Bei rund 85 HB-Bildatlanten und HB-Kunstführer hat er mitgewirkt, davon 45 exklusiv gestaltet. Von 1975 bis zum Jahr 2000 war er dafür jedes Jahr rund 65000 Kilometer – die Flüge nicht mitgerechnet – unterwegs. Besonders erfolgreich verkauften sich die Ausgaben über Paris, London (für seine Fotos legte er allein in dieser Stadt dreihundert Kilometer zu Fuß zurück), Dänemark (4 Bände), Norwegen, Frankreich, Österreich, Tschechien, Italien, Griechenland, Luxemburg, die Schweiz und die Türkei (3 Bände). Tausende von Illustrationen lieferte er auch für diverse Dumont-Bildbände, Kirchen- und Klosterführer für den Verlag Schnell & Steiner und für viele Bücher zur Kunst und Kultur Ostbayerns, die vor allem im Pustet Verlag erschienen. Der Pressather Verleger Eckhard Bodner, bei dem seit 1976 der Jahreskalender „Oberpfälzer Heimatspiegel“ erscheint, greift genauso gern auf das Bildarchiv Wilkin Spittas zurück, wenn er nach einer Illustration zu einem bestimmten Text sucht, wie die Leute von der ARD-Tagesschau, die stimmungsvolle Hintergrundbilder für die Wetterkarte brauchen. Unter der halben Million an Motiven, die der Fotgraf vorrätig hat, findet sich so gut wie immer ein passendes.

Vor zwanzig Jahren entschloss sich Wilkin Spitta aus der Oberpfälzer Metropole nach Niederbayern zu ziehen. In Loham/Mariaposching bei Deggendorf, wo er nun daheim ist, liebt er die Weite des Donautals und den Wind, der hier beständig die Luft in Bewegung hält. Wilkin Spitta hat schon die unterschiedlichsten Motive vor der Kamera gehabt und mit allen Raffinessen der Technik ins Zentrum des Interesses gerückt. Aber ganz gleich, ob es sich um Landschaften handelt oder Menschen, kleine Motive oder große Architektur. Der richtige Augenblick, um auf den Auslöser zu drücken, ist für ihn dann gekommen, wenn die Anschauungsobjekte ihre schönsten Seiten offenbaren. Denn er liebt die Idylle, die Harmonie, die mit Licht gezeichneten Stimmungen und die perfekte Illusion. Wilkin Spitta beherrscht die Kunst, mit seiner Fotografie die Welt schöner zu zeigen als sie ist – und bringt damit den Betrachter zum Träumen.

 
Chr. Riedl-Valder
aus: Altbayerische Heimatpost 16,2012, S. 9.