Vom Saustecha, Eckerlkas, Joppmtausch und Stöcklschuh 

Die Oberpfälzer Mundart-Autorin Christa Sienel

„Als ich in Rente ging, schenkte mir unsere Evi ein dickes Heft und einen Füller und meinte: „So Mama, etz host Zeit, etz schreib auf, wost uns immer von früher erzählt host.“ Ich konnte also ohne Zeitdruck und immer dann, wenn ich Lust hatte, schreiben. Kindheitser­innerungen, wie s’Schworzbeerküberl, s’Beichtzettlsammeln, d’Kirm, waren die ersten G’schichtn, die ich zu Papier brachte.“ Im Vorwort zu ihrem ersten Buch, das in wenigen Wochen unter dem Titel „A Kirm voller G‘schichtn“ im Laßleben-Verlag in Kallmünz erscheinen wird, berichtet Christa Sienel über die Beweggründe, die sie zum Schreiben gebracht haben. Schon während ihrer Schulzeit verfasste sie gern Aufsätze und ihre große Leidenschaft ist das Lesen. Die innere Ruhe, ihre Gedanken zu Papier zu bringen, fand sie jedoch erst nach Beendigung des Berufslebens. Ihre Erzählungen handeln von den Menschen, der Arbeitswelt und den Schönheiten der Natur auf dem Lande in der Oberpfalz. Viele Ereignisse aus ihrer Jugendzeit in den 1950er und 60er Jahren kommen darin zur Sprache. Schauplatz ist zumeist der kleine Markt Laaber, rund 20 Kilometer nordwestlich von Regensburg, in dem die Autorin seit ihrer Geburt bis heute lebt. Er liegt am Fuße einer mächtigen Burganlage, die einst im Besitz des berühmten Minnesängers Hadamar III. und seines Geschlechts war. Ein kleiner, noch weitgehend natur belassener Fluss, die Schwarze Laber, schlängelt sich durch den Ort. An seinem Ufer spielte sich im Sommer das dörfliche Leben ab, dessen vielfältige Aktivitäten und Vergnügungen die Autorin humorvoll in ihrem Text „Die Mühlwiese“ schildert. Andere Texte behandeln die alltäglichen Sorgen und Schwierigkeiten, die einem das Leben – nicht nur auf dem Lande – aufbürdet. In der Geschichte von der „Kirm“ hat Christa Sienel ihrer Großmutter ein Andenken gesetzt. Diese Frau stand nach dem frühen Tod ihres Mannes - einem selbständigen Schreinermeister- mit fünf kleinen Kindern plötzlich allein da. Als Taglöhnerin und durch den Handel mit den Waren aus ihrer „Kirm“ (einem hohen Korb, mit dem man auf dem Rücken alle Arten von Lasten tragen konnte) hat sie damals die Familie ernährt und erreicht, dass jedes ihrer Kinder eine gute Ausbildung erhielt. Auch lustige Episoden im Zusammenhang mit alten Bräuchen wie das „Wurschtfahren“ und das „Beichtzettlsammeln“ und die Schrulligkeiten mancher Zeitgenossen hält die Autorin fest. Insgesamt gelingt es Christa Sienel, dem Leser in vielen genau beobachteten Details ein facettenreiches Bild von der Welt, wie sie sie erlebt hat, zu vermitteln.

Dazu gehören auch die Erlebnisse bei Ausflügen in die nahe gelegenen Großstädte Regensburg, Nürnberg und München. Dorthin musste man in die Schule, zum Verkaufen von Eiern, Hühnern und anderen ländlichen Produkten, zum Einkaufen, zum Verwandtenbesuch oder um mal etwas Besonderes zu erleben. Die Kaufhäuser mit ihrem großen, verführerischen Warenangebot, die erste Fahrt auf einer Rolltreppe, ungewohnte kulinarische Genüsse und Begegnungen mit den Städtern waren dabei unvergessliche Momente. Mitte der 1940er Jahre fuhren die Züge noch unregelmäßig. Da konnte es schon passieren, dass man im mühsam zusammengesparten Sonntagskleid und auf Stöckelschuhen plötzlich zu Fuß nach Hause gehen musste, weil aus der Stadt kein Zug mehr aufs Dorf fuhr. Es ist nicht die „gute, alte Zeit“, die Christa Sienel beschwören will. Im Vergleich zur Gegenwart war es aber, wie sie meint, eine um vieles ruhigere Zeit.

Die Autorin schöpft ihre Energie aus der Geborgenheit, die ihr die Heimat vermittelt. Seit ihrer Geburt ist sie mit dem Ort und seinen Bewohnern aufs engste verbunden. Nach dem Besuch der Volksschule in Laaber wechselte sie auf die Mädchenrealschule Niedermünster in Regensburg, legte 1959 die Mittlere Reife ab und arbeitete dann fünf Jahre lang als Sparkassenangestellte. Während der folgenden Familienzeit, in der die beiden Töchter Ingrid und Evi geboren wurden, schrieb sie Berichte für das Hemauer Wochenblatt und den Tagesanzeiger. Bis 2001 arbeitete sie dann 28 Jahre lang als Verwaltungsangestellte beim Markt Laaber. Seit ihrer Pensionierung verfasste sie rund fünfzig Kurzgeschichten, die sich einer immer größeren Fangemeinde erfreuen. Zum ersten Mal trug sie ihre Texte öffentlich im Rahmen der „Literaturtage im Oberpfälzer Jura 2006“ während einer Lesung in Schloss Laufenthal vor. Sie gewann damit die Teilnahme an einer Schreibwerkstatt mit der Autorin Elfi Hartenstein, die ihr wertvolle Anregungen gab und sie zum Weiterschreiben ermunterte. Mittlerweile erschienen viele ihrer Erzählungen in den Heften der Heimatzeitschrift „Die Oberpfalz“, im Straubinger Kalender, im Oberpfälzer Heimatspiegel, in der Mittelbayerischen Zeitung und im Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft Laaber. Ihre Ziele und Beweggründe erklärt Christa Sienel folgendermaßen: „In einfachen Sätzen, in die ich immer wieder unseren Dialekt einfließen lasse, versuche ich so zu schreiben, wie ich fühle. Dialekt ist für mich die Sprache des Herzens, ist Landschaft und Heimat, ist Vertrautsein und Geborgenheit. Ich möchte an alte Wörter und Begriffe erinnern, damit die Sprache unserer Vorfahren nicht in Vergessenheit gerät. Denn immer mehr dieser Ausdrücke verschwinden und unsere Sprache wird ärmer. …Ein bisserl neue Heimatgeschichte sollte mein Buch werden und den Jüngeren schildern, wie einfach und bescheiden das bestimmt nicht leichte Leben unserer Eltern und Großeltern war.“

Buchtitel Christa Sienel

Christa Sienel, A Kirm voller G`schichten, Verlag Michael Laßleben Kallmünz 2012, ISBN 978 3 78 47 8264 5, 9,90 Euro.

 

Chri.Riedl-Valder

Aus: Altbayerische Heimatpost 14, 2012.