Das Wasserschloss Pürkelgut in Regensburg - Ein verfallenes Juwel

Die Immobilie aus Thurn- und Taxis-Besitz scheint dem Untergang geweiht

Das einstige Wasserschloss Pürkelgut im Herbst 2014

Das einstige Wasserschloss Pürkelgut im Herbst 2014 (Foto: Chr. Riedl-Valder)

Hinter hohen Bäumen, dichten Sträuchern und mit Schilf bewachsenen Wassertümpeln kann man einen ersten Blick auf die maroden Mauern des Gebäudes werfen. Wie verwunschen liegt das barocke Schlösschen abseits der Schnellstraße, die von Süden in die Welterbestadt führt, inmitten einer heruntergekommenen Grünanlage neben einer Kleingartenkolonie und einigen Pferdekoppeln.

Einst befand sich hier das „Sanssouci der Reichstagsgesandten von Regensburg“, wie es der Historiker Joseph Rudolf Schuegraf 1830 formulierte. Auf dem von einer Quelle gespeisten, sumpfigen Gelände existierte seit dem 13. Jahrhundert ein landwirtschaftliches Gut. Nach wechselvoller Geschichte und der völligen Zerstörung im 30jährigen Krieg, als sich 1633 das hier verschanzte kaiserliche Heer gegen die Schweden verteidigte, blieb die Anlage fast hundert Jahre lang eine Ruine. Das Palais in seiner heutigen Form wurde 1728 im Auftrag des wohlhabenden Regensburger Kaufmanns Johann Jakob Pürkel errichtet. Die Pläne dazu lieferte wahrscheinlich der Linzer Baumeister Johann Michael Prunner, ein Schüler des berühmten Wiener Barockarchitekten Lukas von Hildebrandt. Nach der Familie des Bauherrn fiel der Besitz 1749 an Johann August von Greifenstein, den Reichstagsgesandten für Schweden-Vorpommern, der in dem romantisch gelege­nen Wasserschloss standesgemäße Feste feierte. In der Kutsche von Gutsherrn Friedrich Heinrich Hartmeyer ließ sich Napoleon nach seiner Verwundung durch eine abgeprallte Kugel vor Regens­burg am 23. April 1809 erst zum Verbinden nach Schloss Pürkelgut und dann zur Übernachtung ins Kloster Karthaus-Prüll fahren. Seitdem existierte im Schloss ein „Napoleonzimmer“. Nachdem Hartmeyer 1826 eine Brauereikonzession erworben hatte, wurde das Gut in der Biedermeierzeit zu einem beliebten Sommer-Ausflugsziel mit Gartenwirtschaft und Tanzvergnügen. Dieses idyllische Stimmung findet sich auf dem abgebildeten Aquarell von Heinrich Klonke aus den Museen der Stadt Regensburg wieder.

Unter Georg Hamminger aus Ortenburg entwickelte sich das Anwesen ab 1838 zu einer musterhaf­ten Ökonomie, die 26 Dienstboten beschäftigte. 1844 verkaufte Hamminger das Gut samt Lust­schloss an Fürst Maximilian Carl von Thurn und Taxis. Es war nie als Wohnsitz der hochadeligen Familie im Gespräch, sondern diente als Renditeobjekt und sollte zu einer Landwirtschaftsschule ausgebaut werden. Ludwig Mörike, der vom Fürsten damit beauftragt war, scheiterte letztlich an diesem Vorhaben. 1850 erhielt er für einige Monate Besuch von seinem Bruder, dem romantischen Dichter Eduard Mörike, der hier an seinen poetischen Texten schrieb und dabei auch seine Umgebung und das Pürkelgut erwähnte: „So ein Spaziergang um den See, im Morgensonnenschein, ist gar zu angenehm; ich kann da halbe Stunden lang, allein das reine Spiegelbild des Schlösschens mit seinem geschlängelten Umriss auf der immer bewegten Wasserfläche betrachten, dem Hin- und Herziehen einiger Schwäne (es sind ihrer fünf oder sechs, von der Fürstin gestiftet) zusehen und manche mir noch unbekannte Eigentümlichkeit dieser Tiere beobachten ...“

Das Wasserschloss Pürkelgut, Aquarell von Heinrich Klonke 1829

Das Wasserschloss Pürkelgut, Aquarell von Heinrich Klonke 1829 (Foto: Museen der Stadt Regensburg)

 

Nach dem 2. Weltkrieg wollte man das Haus erst sanieren, doch dann erhielten andere fürstliche Immobilien den Vorrang. Flüchtlinge und Bedienstete der Gutsverwaltung wohnten bis 1975 in dem Gebäude. Danach stand es leer. Die Einrichtung verwahrloste im Laufe der Zeit oder wurde gestohlen; sogar Teile des kunstvoll geschnitzten Treppengeländers hat man herausgesägt. Ein Brand zerstörte 1982 einen Teil der Decke über dem Speise- und Tanzsaal. 1990 erlitt das Schloss durch den Sturm Wibke größere Schäden am Dach, die von der Fürstlichen Bauverwaltung repariert wurden. Heute wird das Gut zum Teil von einem Trabergestüt und einer Holzhandlung genutzt. Um das Palais siedelten sich Schrebergärten an.

2001 war das Haus in einigen Teilen bereits einsturzgefährdet. Damals hat man im Schnellverfahren den Dachstuhl provisorisch abgestützt und die Fenster zugemauert. Das Haus Thurn und Taxis, das jährlich auf einem der vorderen Plätze in der Forbes-Liste der Milliardäre erscheint, will möglichst keine finanziellen Mittel riskieren, um das Wasserschloss zu sanieren. Nach dem Tod von Fürst Johannes 1990 verschoben sich die Prioritäten der einst sehr traditionsbewussten Adelsfamilie. Die Kulturpflege wurde auf ein Minimum reduziert und viele historisch wertvolle Güter wechselten den Besitzer. Seitdem gab es von mehreren Seiten Versuche, das Anwesen zu retten und zugleich einer neuen Nutzung zuzuführen. Es war im Gespräch als Sitz des Landesamts für Denkmalpflege. Doch das Amt entschied sich letztlich für die Königliche Villa an der Donau. Weitere Vorschläge sahen es geeignet als Tagungs- oder Veranstaltungszentrum, als Luxushotel, Eisstadion, Gewerbe- oder Ökobetrieb oder als Jugendherberge.

Der Regensburger Stadtheimatpfleger Dr. Werner Chrobak mahnte schon vor eineinhalb Jahrzehn­ten davor, diesen bedeutenden Barockbau nicht dem Verfall zu überlassen. „Für eine denkmalbe­wusste Stadt wie Regensburg wäre das eine einzige Schande“. Der dreigeschossige Rechteckbau mit steilem Mansarddach, Eck- und Mitteltürmen ist seiner Meinung nach das beste barocke Profangebäude, das die Donaumetropole zu bieten hat. Allein der gewaltige Dachstuhl, der stützen­los und ohne Eisennägel erbaut wurde, stellt eine Meisterleistung der Zimmermannskunst dar. Sein Appell hatte zur Folge, dass das Gelände anschließend mehr in das Interesse der Öffentlichkeit rückte. Peter Kittel, der auch den Weihnachts­markt in Schloss Thurn und Taxis in Regensburg organisiert, lädt seitdem jährlich zum Spektakel „Hexentanz und Feenzauber“ in die weiträumigen Vierflügelanlage der ehemalige Ökonomie des Landguts ein. Tausende besuchen jedes Mal im Juni diesen Mittelaltermarkt mit Handwerker­treiben, Ritterturnier und riesigem Sonnwendfeuer, aber nur die wenigsten von ihnen kennen das traurige Schicksal des nebenan liegenden und weiter dem Verfall preisgegebenen, einstigen Lustschlösschens.

Die Westseite des Palais Pürkelgut im Herbst 2014

Die Westseite des Palais Pürkelgut im Herbst 2014 (Foto: Chr. Riedl-Valder)

 

„Eigentum verpflichtet“ – dieser im Grundgesetz verankerte Gedanke gilt auch für die Besitzer von Baudenkmälern. Nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz müssen sie dafür Sorge tragen, dass ihr Denkmal erhalten bleibt. „Die Sanierung von Schloss Pürkelgut kann jedoch nur gelingen, wenn man ein rentables Nutzungskonzept für das ganze Grundstück findet“, betonte Dr. Chrobak jüngst und wies darauf hin, dass das Gebiet in absehbarer Zeit ins Visier konkreter Stadtplanung rücken wird, da es sich bei dem rund 40 Hektar umfassenden Areal um eine der letzten großen verfügbaren Flächen in Regensburg handelt. Durch die ausgezeichnete Verkehrsanbindung und die gleichzeitige Altstadtnähe handelt es sich um ein echtes „Filetstück“. Gefahr sieht er in einer vorschnellen Verlegenheitslösung, die nur einen Teil der Anlage beträfe. Sie würde einer zukunftsfähigen Gesamtplanung im Wege stehen. Dr. Chrobak könnte sich hier beispielsweise ein Messegelände im spezialisierten High-Tech-Bereich vorstellen, das mit den benachbarten Firmen Siemens, Toshiba, BMW und dem Logistikzentrum in Beziehung steht. Das Palais würde nach seiner Restaurierung als barockes Wasserschloss zum Prunkstück dieses Stadtgebietes werden und als Tagungs- und Konferenzzentrum eine Attraktion ersten Ranges abgeben. Wichtig wäre dabei, dass der Altbau nicht beziehungslos neben den modernen Häusern der zukünftig projektierten Fläche steht, sondern mit einbezogen wird und eine Funktion erhält. Dann könnte das Pürkelgut ein Juwel im neuen „Pürkelgutareal“ sein. Der Stadtheimatpfleger hofft nun, dass vor der völligen Zerstörung des kunstvollen Barockbaus alle Kräfte – Eigentümer, Stadt Regensburg, Staat, Wirtschaft und Öffentlichkeit ‒ an einem Strang ziehen und ein tragfähiges Gesamtkonzept auf die Beine stellen.

 

Text: Chr. Riedl-Valder

Veröffentlicht in: Altbayerische Heimatpost 2, 2015, S. 20f.