Menschen mit Ecken und Kanten

Zum Schaffen des Oberpfälzer Bildhauers Helmut Wolf

Portrait Helmut Wolf

Helmut Wolf in seiner Werkstatt in Beratzhausen
Bei der Arbeit an seiner Figur "Regensburger Bruckmandl 2012"
(Foto: Chr. Riedl-Valder)

„Menschen sind nicht glatt. Jeder hat irgendwo seine Ecken und Kanten.“ Nach dieser Erkenntnis fertigt der Oberpfälzer Bildhauer Helmut Wolf seine Holzskulpturen. Bereits beim ersten, groben Zuschnitt mit der Motorsäge oder bei der Bearbeitung mit dem breiten Stechbeitel werden wesentliche Konturen seiner Figuren festgelegt. Die weitere Bearbeitung erfolgt dann in mühevoller Detailarbeit. Dem Künstler kommt es dabei nicht darauf an, die genauen Körperformen seiner Geschöpfe bis zum letzten Fingernagel herauszuarbeiten. Eine gefällige Oberfläche interessiert ihn nicht. Blockartige, kantige Gestalten, summarisch behandelte Gliedmaße, klobige Hände und Füße, scharfe Grate, die Muskeln, Sehnen und Falten andeuten, ein meist skeptisches oder ironisches Mienenspiel, die Augen oft hinter einer Sonnenbrille versteckt – an diesen Merkmalen erkennt man die Handschrift des Bildhauers. Aber jede seiner Figuren ist ein Individuum und vertritt eine spezielle Spezies in unserer modernen Gesellschaft, sei es der Unternehmer, die modische Mittvierzigerin oder der konsumfreudige Yuppie. Helmut Wolf ist stets auf der Suche nach den wenigen, charakteris­tischen Linien, die einen Ausdruck, einen Typ bestimmen. Und dieses Ziel erreicht er meist virtuos. Die Betrachter seiner Werke sind oft fasziniert, wie es ihm gelingt, Gestalten, Gesten und Mimiken so genau zu treffen.

Der Bildhauer beobachtet gern die Leute. Stundenlang sitzt er in den Cafés und Biergärten und füllt seine Skizzenhefte. Sein Interesse gilt den Alltagstypen von nebenan, Individuen wie Du und Ich, manchmal auch die Geschäftswelt der Männer, die Großkopferten oder die Frau von Welt. Da begegnen einem Menschen im Urlaub, lässig in kurzen Hosen und Trägerkleidchen, der Mann mit Kamera, die Frau mit Handtasche, hochmütig hinter der Sonnenbrille verschanzt, abgeschlafft im Bikini oder vollschlank und barbusig mit Rettungsring und Stringtanga. Oder Männer aus dem Mittelstand im Dialog miteinander, die Hände in den Hosentaschen oder grübelnd und verunsichert. Manchmal wagt sich Wolf auch an bekannte Persönlichkeiten, zum Beispiel Andrea Merkel, die mit herabgezogenen Mundwinkeln argumentiert, oder Franz Josef Strauß, der mit optimistischem Lächeln und weiß-blauer Bayernkrawatte präsentiert wird. Immer ist leise Ironie im Spiel, wenn er mit seinen Skulpturen Menschentypen karikiert und gesellschaftliche Verhältnisse darstellt.

Die Bildhauerei ist für ihn untrennbar mit der Zeichnung und Grafik verbunden. In den Bleistift- und Kohleskizzen werden die Ideen für die Figuren, für bestimmte Körperhaltungen und einen besonderen Gesichtsausdruck vorbereitet und festgehalten. Zu manchen Themen, wie zum Beispiel „Menschen an der Bar“, „Biertrinker“ oder „Stammtische“ entwickelte er ganze Serien von Grafiken. Eine besondere, dreidimensionale Wirkung seiner Radierungen erhält er dadurch, dass er den Druck mittels einer Kunststofffolie anfertigt und anschließend Abdruck und Druckfolie zusammen montiert.

Helmut Wolf arbeitet neben der Holzbildhauerei auch in Bronze und entwickelt Kunstwerke für den öffentlichen Raum. Der gebürtige Nittenauer verdiente sich nach seiner Holzbildhauerlehre mehrere Jahre als Restaurator in Regensburg seinen Unterhalt, bevor er in München den Meisterbrief erwarb. 1992 gründete er seine erste eigene Werkstatt in Etterzhausen, zog aber fünf Jahre später wieder nach Regensburg um. Seit 1999 ist er Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler. 2005 schuf er sich ein zusätzliches Standbein mit einem Atelierhaus in Beratzhausen. Im Kunstwettbewerb um eine passende Skulptur für die Hauptfeuerwache in Regensburg wurde ihm 2006 vom städtischen Kulturausschuss der erste Preis zugesprochen. Sein Siegermodell zeigte die Notruf-Telefonnummer 112, gefertigt aus verbranntem Eichenholz, aufgehängt in einem leicht geneigten, feuerroten Turmgerüst aus Stahl. Sein Entwurf wurde in einer Größe von fünfeinhalb Metern realisiert. Dieses Kunstwerk überzeugte alle, da es durch seine einfache Zeichenhaftigkeit und die Fernwirkung die Funktion des dazu gehörigen Gebäudes optimal ausdrückt. Auch für die Kunst am Bau des neuen Amtes für Ländliche Entwicklung, das im Mai in Tirschenreuth feierlich eingeweiht wird, erhielt er den Zuschlag. Zwei große, grob bearbeitete Skulpturen aus Eichenholz werden dort die ertragreiche Arbeit dieser Einrichtung symbolhaft ausdrücken.

Ein weiteres bekanntes Kunstwerk Wolfs steht im Hof des Klosters Pielenhofen. Hier schuf er für den Brunnen eine Bronzeplastik, die einen Schiffsmann mit Stange in einer Zille zeigt. Er stellt damit den Bezug her zur Wasserstraße der Naab, die durch den Ort fließt, und auf der seit uralten Zeiten der Warentransport erfolgte. Seine aussagekräftigen Bronzefiguren sind auch als Trophäen gefragt. Wie die Holzbildwerke kennzeichnet sie eine raue Oberfläche und eine grobe Struktur. Damit sind sie alles andere als Handschmeichler. Mit der Skulptur „Lesende“ werden beispielsweise Autoren ausgezeichnet, die den „Literaturpreis des Oberpfälzer Jura“ erhalten haben; der Landkreis Regensburg würdigt seine Kulturpreisträger ebenfalls mit einer Bronzearbeit aus der Werkstatt von Helmut Wolf. Durch Ankäufe öffentlicher Institutionen und Ausstellungen in ganz Bayern, Österreich und Spanien ist sein Schaffen bereits überregional bekannt geworden. Einige witzige und hintergründige Skulpturen Wolfs zum Thema „Historisches Regensburg“ kann man demnächst bei der Regierung der Oberpfalz besichtigen.

Der Bildhauer gibt sein Wissen über dreidimensionales Gestalten auch gern an Interessierte weiter. Seine Kurse finden regelmäßig in der Regensburger „Stadtkunst“ und der Kunstakademie im Andreasstadel statt. Auch während der Sommerakademie in Beratzhausen Ende Juli 2013 hat man wieder Gelegenheit, sich in ungezwungener Atmosphäre interessante Techniken der freien Holzbildhauerei bei Helmut Wolf anzueignen. Die idyllische Natur im Tal der Schwarzen Laber wirkt sich dabei sicher zusätzlich inspirierend auf die Entwicklung eigener gestalterischer Ideen aus.

Christl Riedl-Valder

 

Ausstellung „Historisches Regensburg. Regensburg-Motive zum Weltkulturerbe“ vom 12. April bis 14. Juni 2013 bei der Regierung der Oberpfalz, Emmeramsplatz 8, Regensburg (Öffnungszeiten: Mo-Do 8.30 – 12.00 Uhr, 13.30 – 15.00 Uhr; Fr. 8.30-12.00 Uhr).

Weitere Informationen unter www.helmut-wolf.com

(aus: Altbayerische Heimatpost Nr. 17 (22.4. - 28.4.), 2013, S. 9)

Am Stammtisch

Am Stammtisch. Aquarell von Helmut Wolf (Foto: Chr. Riedl-Valder)

Der Unternehmer

Der Unternehmer (Foto: H. Wolf)