Verschiedenes
Ganz Bayern im Kleinformat
In Straubing wird an einem idealen Abbild des Freistaates getüftelt
Der Straubinger Ludwigsplatz im Kleinformat
„Wir wollen unsere Besucher zum Staunen bringen und sie auf unterhaltsame Weise gut informieren. Sie sollen hier mit mehr Wissen wieder rausgehen, als sie reingegangen sind“. Nach diesem Motto baut die Familie Horvath in Straubing seit über einem Jahr an einem gigantischen Projekt. In den Räumen der Alten Ziegelei Meier wird Zug um Zug das „Bajuwarium“ errichtet, eine Miniatur-Erlebniswelt, die in ihrer endgültigen Ausformung die typischen Kulturlandschaften und Sehenswürdigkeiten Bayerns repräsentieren soll.
Im Maßstab 1: 87 entstehen hier detailgetreu nachgebildete Gebäude, Türme und Plätze, verbunden durch ein funktionsfähiges Straßen- und Schienensystem und ergänzt durch Flüsse, Seen, Berge, Wiesen, Felder und Wälder. Tafeln informieren über die wichtigsten Fakten zu den einzelnen Ausstellungsstücken. Bis Ende 2014 werden die Arbeiten am Modul 1 abgeschlossen sein. Auf rund 150 Quadratmetern zeigt es die Stadt Straubing mit Ludwigsplatz und Tiergarten, Gäubodenvolksfest, Eisstadion, St. Peterskirche, Herzogsschloss, Dietlweiher und weiteren markanten Orten. Bislang waren dazu über 18.000 Arbeitsstunden nötig. Für das nächste Modul mit der angrenzenden Umgebung, zu der unter anderem der Bayerische Wald mit dem Bahnhof in Bodenmais und die berühmte Wallfahrtsstätte Bogenberg gehören, wurde schon das Gerüst aufgestellt und der Schienenweg verlegt, so dass man auch hier ab sofort mit dem Aufbau beginnen kann. Für die Zukunft sind weitere Regionen Bayerns, wie zum Beispiel Niederbayern, das Alpenvorland, der Chiemsee, die Schlösser König Ludwig II., die Landeshauptstadt München mit ihren prägnantesten Bauten und dem Flughafen, aber auch Teilstücke von Österreich, Südtirol und der Schweiz, die zum alten Stammesgebiet Baierns gehörten, geplant. Die Erlebniswelt soll sich Jahr für Jahr vergrößern und letztendlich rund 4000 Quadratmeter in fünfundzwanzig Modulen umfassen.
Auslöser für dieses große Unternehmen war für die Horvaths ihre private Leidenschaft für den Modelleisenbahn-Bau, gepaart mit ihrer Liebe zum bayerischen Freistaat. Auf einer Urlaubsfahrt nach Nordfriesland besuchten sie mit ihren beiden Söhnen eine Schauanlage in Friedrichstadt und das Miniaturwunderland in Hamburg, um dort Anregungen für die Eisenbahnstrecke auf dem heimischen Speicher in Leiblfing zu finden. Voller Begeisterung sammelten sie zahlreiche Ideen für die eigene Werkstatt und kamen letztendlich zu dem Schluss, dass Niederbayern eine ähnliche Attraktion wie Hamburg verdient hätte. Der Elektroingenieur und die Wand- und Dekorationsmalerin konnten bei der Realisierung dieses Plans ihre beruflichen Erfahrungen voll einbringen. Mit dem Namen „Bajuwarium“ fanden sie auch den passenden Titel, der die zwei wichtigsten Begriffe unter einen Hut brachte: der vordere Teil bezieht sich auf den Volksstamm der Bajuwaren, der sich seit dem 4. Jahrhundert nach Christus im Gebiet von Bayern, Österreich und Südtirol ansiedelte; das Wortende stammt von dem lateinischen „Atrium“ ab, das schon bei den Römern den zentralen Aufenthaltsraum bezeichnete. Im Keller ihres Wohnhauses in Leiblfing nahm das Projekt seinen Anfang, wurde dann beim letzten Bürgerfest im Straubinger Stadtturm erstmals einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt und fand in der Folgezeit viele Freunde und Förderer, mit deren Hilfe die weiteren Planungen in Angriff genommen werden konnte. Fünfzehn Mitarbeiter, eine bunt gemischte Truppe aus Handwerkern, Technikern und Allroundtalenten, unterstützt die beiden Firmengründer mittlerweile bei ihrem Vorhaben.
Nicht nur für Modellbauer und Tüftler sehenswert ist die ausgefeilte Technik, mit der die gesamte Anlage gebaut und ausgestattet ist. Auf dem Straßen- und Schienensystem sind Autos, LKWs, Busse und Züge unterwegs. Die meisten Fahrzeuge haben eine komplette Beleuchtung mit Brems- und Blinkleuchten. Eine weitere Besonderheit ist der simulierte Tagesablauf. Jede halbe Stunde bricht die Dämmerung über die Miniaturwelt herein, wird durch die Nacht abgelöst und wandelt sich wieder zum lichten Tag. Darüber hinaus haben die kleinen und großen Besucher die Möglichkeit mit Druckknöpfen, die vor der Verglasung am Rand angebracht sind, bestimmte Abläufe in der Anlage auszulösen und zu steuern. Besonders aufwendig ist die LED-Technik mit winzig kleinen Lämpchen. Allein auf dem 22 Quadratmeter großem Volksfestareal wurden eineinhalb Kilometer Stromkabel verlegt. Die verwendeten Lackdrähte haben eine Stärke zwischen 0,05 Millimeter (200 Meter davon befinden sich allein im Riesenrad!) und 0,15 Millimeter. Zum Einsatz kamen 1200 Mini-LED-Lampen, die von drei Micro-Prozessoren gesteuert werden. Über alle Details der Herstellung geben die Mitarbeiter in der Schauwerkstatt bereitwillig Auskunft. Anhand von Zeichnungen und Plänen wird der Entstehungsprozess der einzelnen Ausstellungsstücke zusätzlich verdeutlicht.
Für das Straubinger Herzogsschloss lieferte die Bayerische Schlösserverwaltung die Original-Baupläne, die dann maßstabsgetreu umgesetzt wurden. Exakte Pläne fehlen jedoch zumeist. Doch das ist kein Problem für den Chef. Er macht sich dann in der Nacht auf den Weg, um die Fassaden mit Laserlicht zu vermessen. Auf dieser Grundlage entstehen Aufriss-Zeichnungen. Sie werden auf einer Spezialpappe, die 70 Prozent Holzanteil aufweist, aufgetragen und können bis zu einer Genauigkeit von 0,3 Millimeter mit dem Lasercut ausgeschnitten werden. Das anschließende Einsetzen der Fenster, das Anbringen von Plexiglas und den typischen Verzierungen mit Stuck, Simsen, Vorsprüngen und Bemalungen an der Fassade, die Innenausstattung und die Beleuchtung erfordern viel Feingefühl und Erfahrung. Für einen Häuserblock braucht das Team im Schnitt etwa zwei Wochen bis zur Fertigstellung.
Die beständige Erweiterung der Anlage findet bewusst während des Ausstellungsbetriebes statt, damit sich jeder vor Ort ein Bild machen kann vom Baufortschritt und den technischen Mitteln - und dabei vielleicht selbst zum Basteln angeregt wird. Davon abgesehen hat der Besuch des „Bajuwarium“ einen weiteren angenehmen Nebeneffekt. Wer sich auf das Suchen und Entdecken der vielen Einzelheiten einlässt, vergisst den Alltagsstress und kann entspannen. In den klimatisierten, barrierefreien Räumen sind die Modellbahn-Welten das ganze Jahr über für jedermann zugänglich. Und wenn man davon genug gesehen hat, dem bietet sich noch von der Cafeteria im Obergeschoss aus zum Vergleich der Blick durch eine riesige Glasfront auf die reale Schienenwelt von Straubing.
Die Horvaths haben noch viele Ideen, die sie im Laufe der nächsten Jahre in die Tat umsetzen wollen. Ein neuer Vorführraum wird schon bald alte Dampflockfilme präsentieren. Neben dem „gebauten“ Bayern wollen die beiden Modellbauer weitere Möglichkeiten entwickeln, um auch Produktionsabläufe und das hiesige Lebensgefühl, das sich in kirchlichen und weltlichen Bräuchen und Festen ausdrückt, darzustellen. In Kooperation mit großen Firmen sollen komplette Entwicklungslinien bestimmter Produkte gezeigt werden, wie zum Beispiel Anbau, Transport und Verarbeitung der Zuckerrüben im Umfeld von Plattling.
Für das Modul „Niederbayern“ hat sich Jürgen Horvath schon einen Mähdrescher mit Antrieb und Leuchtsystem ausgedacht. Jetzt tüftelt er noch an einem Getreidefeld, das sich beim Abernten möglichst realistisch in ein Stoppelfeld verwandeln lässt und auf dem dann anschließend vor den Augen des Betrachters wieder neue Halme sprießen sollen. Man darf gespannt sein, welche technische Lösung ihm dazu einfallen wird.
Text und Fotos: Chr. Riedl-Valder
Bajuwarium Erlebniswelt GmbH, Geiselhöringer Straße 23, 94315 Straubing, Telefon: 09421 510 260, www.bajuwarium.de; Öffnungszeiten: Di-Fr. 10-17 Uhr, Sa, So + Feiertage 10-18 Uhr.
Beitrag veröffentlicht in: Altbayerische Heimatpost 2014