Persönlichkeiten
Die Macht der Mundart
Harald Grill und der bairische Dialekt
Harald Grill (Foto: Erika Grill)
Die heimische Mundart ist ein wesentlicher Bestandteil der eigenen Persönlichkeit und drückt das individuelle Lebensgefühl am besten aus. Deshalb pflegen auch die Auswanderer ihren Dialekt in der Fremde; was dazu führte, dass man heutzutage auch in Neuseeland und in Rumänien bairische Laute hören kann. Zu diesem Ergebnis kamen jüngst die Sprachforscher auf ihrer Tagung zum Thema „Bairisch in der Welt“ an der Universität Regensburg.
Einer, der mit dem Dialekt besonders gut umgehen kann und deshalb beste Prosa und Lyrik auf Bairisch bietet, ist der Schriftsteller Harald Grill. Für Literaturfreunde ist er schon lange kein Geheimtipp mehr. Mit seinem umfangreichen Werk an Gedichten, Erzählungen, Theaterstücken, Hörspielen und Radiobeiträgen hat er mittlerweile eine große Leser- und Hörerschaft in allen Altersklassen. Als man ihm letztes Jahr die Landshuter Literaturtage widmete, hat man neben seiner Person und seinem Schaffen auch zugleich den bairischen Dialekt zum Thema gemacht. Denn Grill verkörpert wie kaum ein anderer Autor im Freistaat den weltoffenen Bayern, der seine Eindrücke und seine Haltung fern von beschränkter weißblauer Seligkeit mit treffenden Mundarttexten formuliert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er bereits mehrfach Auszeichnungen erhalten hat: unter anderem den Kulturförderpreis der Stadt Regensburg (1983), den Würzburger Literaturpreis (1988), den Friedrich-Baur-Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1992), den Marieluise-Fleißer-Preis (2003), den Kulturpreis des Bezirks Oberpfalz (2006) sowie den Literaturpreis Oberpfälzer Jura.
Harald Grill wurde in Hengersberg geboren, ist in Regensburg aufgewachsen und lebt seit Jahrzehnten mit seiner Familie in dem kleinen Dorf Wald bei Nittenau im Landkreis Cham. Bevor er sich 1988 zur Schriftsteller-Existenz entschloss, arbeitete er als pädagogischer Assistent im Schuldienst. Den Draht zu den Heranwachsenden hat er nie verloren. Das beweist der Erfolg seiner Jugendbuchreihe „Geschichten vom Land“ mit Titeln wie „Gute Luft, auch wenn´s stinkt“. Durch die vielen Lesungen, die er landauf landab an bayerischen Schulen veranstaltete, ist auch seine Beschreibung vom Büchermachen mittels einer Wäscheleine voller Notizzettel für viele Kinder zum Begriff geworden und hat ihnen den Zugang zur Literatur erleichtert.
Gegenstand von Grills erstem Roman „Hochzeit im Dunkeln“, der 1996 erschien, war die Liebesgeschichte seines Vaters, der als Krüppel aus dem Zweiten Weltkrieg in sein bayerisches Heimatdorf zurückkehrte und seiner Mutter, einem schlesischen Flüchtlingsmädchen. Als Fortsetzung dazu legte der Autor mit „gehen lernen“ vor zwei Jahren ein zweites, autobiographisch bestimmtes Prosawerk vor, in dem er sein Leben im Regensburger Kasernenviertel zwischen 1956 und 1966 schilderte. Dabei spürte er auch seinen Erfahrungen mit Sprache und Dialekt und seiner Entwicklung zum Schriftsteller nach.
In beiden Werken beweist Harald Grill seine große Erzählkunst. Er kommt mit einfachen Worten und kurzen, umgangssprachlichen Satzkonstruktionen aus, die in der sensiblen Aneinanderreihung Ausdrucksstärke und Eindringlichkeit erzeugen, ohne je ins Banale abzurutschen. Ein weiteres Hauptthema seiner Texte in den letzten Jahren war das Fortgehen, das Unterwegssein und das Ankommen. Seit seinen großen, 5000 Kilometer weiten Fußwanderungen, die ihn in den Jahren 2000 und 2001 von Hammerfest in Norwegen bis nach Hause und von Sizilien zurück in den Bayerischen Wald führten, arbeitet er an einem Europaroman unter dem Arbeitstitel „zweimal heimgehen“. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Begriff „Heimat“, der für Harald Grill zwiespältige Gefühle auslöst, denn „Schutz verheißend und drohend – so ist Heimat“ (Harald Grill).
Dialektgedichte veröffentlichte der Autor unter den Titeln „eigfrorne gmiatlichkeit“ „bairische gedichte“, „hinüber“ und - als neueste Publikation - „a glaander aus luft“. Diese poetischen Texte hinterfragen oft kritisch die herrschenden Zustände, drehen sich um Umweltzerstörung und Entfremdung, um die Grundfragen menschlicher Existenz, um Zuversicht, Zufriedenheit, um Leben und Vergehen, um das Glück in der Begrenzung, Zeit haben und sich Zeit nehmen; um Menschen, die angekommen sind oder immer fremd sein werden. „Der bairische Dialekt hat nichts Hinterwäldlerisches“ schreibt Grill im Nachwort seines jüngsten Buches. Dass man darüber hinaus in Mundart oft die treffendsten Formulierungen findet, hat er selbst mit seinen schriftstellerischen Werken überzeugend bewiesen.
Harald Grill: A glaander aus luft. Bairische Nachdichtungenmit Zeichnungen von Mayan. lichtung verlag, Viechtach 2011.64 S., ISBN 978-3-929517-93-4, 9,90 Euro,Lesungstermine und weitere Informationen unter www.haraldgrill.de
Chr. Riedl-Valderaus: Altbayerische Heimatpost 1, 2012, S. 6.