Heimat als Auftrag 

Der Amberger Schriftsteller Friedrich Brandl

Friedrich Brandl

 

Friedrich Brandl bei einer Lesung im Autohaus Peter in Amberg 2012 (Foto: Chr. Riedl-Valder)

Der Widerstand gegen die Atomfabrik, die ab 1985 in Wackersdorf gebaut werden sollte und nicht zuletzt aufgrund massiver Proteste der Bevölkerung verhindert werden konnte, hat in der Oberpfalz eine ganze Generation geprägt und für Umweltfragen sensibilisiert. Der Autor Friedrich Brandl engagierte sich damals ebenfalls als Gegner der Atomenergie, und er hat mehr als zwanzig Jahre später in seinem Roman „Wieder am Bauzaun“ diese Zeit noch einmal aufleben lassen. Anhand einer Liebesgeschichte erzählt er, wie sich die Bürger damals zu einer Initiative zusammenschlossen und gegen welche Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatten. Er hat dieses Buch für die Jugendlichen von heute geschrieben. Es soll ihnen zeigen, dass man in der Gemeinschaft mit Gleichgesinnten mit Kreativität und Ausdauer auch ohne Gewalt viel erreichen kann. Brandl möchte die junge Generation zu einem kritischen Bewusstsein und zu gesellschaftlichem Engagement anregen.

Sich selbst für die Heimat einsetzen und andere dazu bringen, es ebenfalls zu tun – dieser Beweggrund prägt zahlreiche Projekte des Amberger Schriftstellers Friedrich Brandl. Sein Engagement und seine Ideen bereichern das Kulturleben der gesamten Region. Zum Beispiel organisiert er seit über zehn Jahren zusammen mit dem Musiker Stefan Huber die Umwelt-Kultur-Tage in Kloster Ensdorf, eine Veranstaltungsreihe, die Literatur-, Musik- und Naturgenuss an ungewöhnlichen Orten realisiert und Anregungen für neue Blickwinkel und mehr Achtsamkeit im Umgang mit Umwelt und Mitmenschen geben will. Auch einige Informationsbroschüren über verantwortungsvolles Naturerlebnis und Naturschutz im Vilstal entstanden in Gemeinschaftsarbeit mit seiner Frau Jutta. Zusammen mit seinen Oberpfälzer Kollegen Bernhard Setzwein aus Waldmünchen und Harald Grill aus Wald bei Nittenau machte er sich 2006 auf den Weg, per pedes die Goldene Straße zwischen Pilsen und Amberg zu erkunden. Zwei Wochen lang hat das Trio damit entgegen dem allgemeinen Trend zu schnellstmöglicher Fortbewegung und Fernreise-Kurztrips eine uralte Form des Unterwegsseins praktiziert und sich die Zeit genommen, um das bayerisch-tschechischen Grenzgebiet neu zu entdecken. Ihre Eindrücke, die man in dem Buch „Zu Fuß auf der Goldenen Straße“ nachlesen kann, sind nicht zuletzt eine Aufforderung zur Entschleunigung unseres hektischen Alltags.

Seit 1980 schreibt Friedrich Brandl Lyrik in Mundart und Schriftsprache, Erzählungen und Theaterstücke. Er ist aktives Mitglied in Umweltschutz-Organisationen, im Verband deutscher Schriftsteller, beim Internationalen Dialektinstitut, war mehrfach Gast der Weidener Literaturtage und anderer renommierter literarischer Zirkel. Die meisten seiner Bücher erscheinen im Verlag lichtung in Viechtach, wo die neue ostbayerische Kulturszene ihre Heimstatt hat. Eine erste Sammlung seiner kritischen Texte kam 1984 unter dem Titel „Zum Nouchdenka“ heraus. Darin liest man unter anderem folgenden Text:

„Zeit zum Handeln. Niat, / dass`d fei moanst, / dei Zeit, die kummt erst, / vielleicht morgn / oder übermorgn. / Dann könnt`s sei, / dass`s z`späit is, / für des, / wos`d dou wüllst. / Begreif endli, / dass dei Zeit, / heit is.“

Es folgten „Meine Finga in deina Rindn“ (1992), „Flussabwärts bei den Steinen“ (2002) und zahlreiche Beiträge in Büchern und Zeitschriften. In vielen Gedichten gelang es Brandl, mit wenigen Worten und treffenden Bildern die Schönheit und die Bedrohung von Natur und Welt zu thematisieren. Zu dem bekannten Frühlingsgedicht von Eduard Mörike lieferte er zum Beispiel folgende Aktualisierung: „Ist`s er? / Das blaue Band /des Frühlings zieht / asphaltschwarz durch das Tal / Abgaswolken streifen / unheilvoll das Land / Schriller Lärm / von Baufahrzeugen mischt / sich in Veilchenträume / und verdrängt die / leisen Harfentöne.“

In einer Reihe sorgfältig gestalteter Gedichtbändchen widmete sich Brandl den drei Gesteinsarten, die für die Oberpfalz prägend sind: Schiefer, Granit und Kalk. Er ergründete ihre Wesensart und setzte sie in Bezug zum Menschen: „Metamorphose / Werden auch wir / härter und glatter / wie marmor und schiefer /wenn sich der druck erhöht /und auch die hitze / taugen wir zum fundament / oder doch nur zur fassade / oder werden wir nur / zerbrechlich“

Rhythmus, Aussagekraft und Stimmung dieser lyrischen Texte ziehen den Leser in ihren Bann:

„liebesbriefe

mit silbernem griffel hab ich / meine liebesbriefe / auf schiefertafeln geschrieben /

den ersten hat der regen /unleserlich gemacht / beim zweiten bin ich / gelaufen / gestolpert / gefallen / mit scherben in den händen / stand ich vor dir / den dritten hab ich / verpackt / versteckt / verborgen / jahre schon am speicher / wartet er dort / ungelesen“

Zu diesen Texten schuf der französische Grafikdesigner Jean-Christophe Meillan eigenwillige Bilder von Bergkegeln, Hängen, Abgründen, Tälern, Wegen und Höhlen, die mit minimalem Formenvorrat auskommen.

In den letzten Jahren konzentrierte sich Friedrich Brandl auf die literarische Auswertung seiner eigenen Biografie. Im Zentrum seiner Prosabände „Ziegelgassler“ (2009) und „Glock`n`Roll“ (2012) stehen die Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend im Amberg der 1950er und 1960er Jahre. Hier wurde er 1946 geboren, erlernte nach der Schulzeit den Beruf des Industriekaufmanns, kehrte nach dem Studium an der Pädagogischen Hochschule in Regensburg zurück und wohnt mit seiner Familie, zu der drei, mittlerweile erwachsene Kinder gehören, seit seiner Zeit als Volksschullehrer bis heute. Mit viel Gespür für das Wesentliche erzählt er aus kritischer Distanz - aber doch voller Humor und Sympathie für seine Weggefährten - vom Lebensgefühl der damaligen Zeit und von den Menschen, die ihm begegneten. Die Armut spielte damals in der Nachkriegszeit eine große Rolle, und die Moralvorstellungen der katholischen Kirche hatten eine prägende Kraft. Es geht um die Ängste und das Scheitern in der Schule, die Abenteuer mit Freunden, die erste Jeans, das immer knappe Geld, erste Liebeleien, Gewissenskonflikte beim Umgang mit den Mädchen, die Schikanen der Lehrlingszeit und die Sehnsucht nach Freiraum und Anerkennung. Neben der lebendigen Jazzszene in der Stadt kommen auch längst vergangene Geschäfte, Lokalitäten und Einrichtungen zu Ehren, wie zum Beispiel der Erzabbau und Hochofenbetrieb bei der Luitpoldhütte, wo Brandl ab 1961 die ersten Berufserfahrungen sammelte. Ohne Beschönigung beschreibt der Autor die Zwänge, denen er ausgesetzt war, und begegnet den eigenen Stärken und Schwächen, seinen einstigen Wünschen und Zielen mit einer beachtlichen Portion Selbstironie. Die Illustrationen von Ina Meillan, der in Frankreich lebenden Tochter von Brandl, unterstreichen den nüchternen Grundton der Erzählungen. Sie fügen ihnen aber oft noch eine heitere Nuance bei. So werden etwa die unmoralischen Gedanken eines Jugendlichen bei der Beichte oder die verschiedenen Schülertypen beim Turnunterricht verbildlicht. Mit nur wenigen Strichen gelingen ihr faszinierende Physiognomien. Für den Leser sind Brandls Erinnerungen besonders reizvoll, denn er kann nicht nur die Höhen und Tiefen im Werdegang des Autors miterleben, sondern erhält dazu einen authentischen Einblick in ein interessantes Kapitel Oberpfälzer Heimat- und Zeitgeschichte.

Christl Riedl-Valder

aus: Altbayerische Heimatpost, 65. Jg., Nr. 16 (15. - 21.4.), 2013, S. 19.

 

Die neuesten Publikationen von Friedrich Brandl:

Wieder am Bauzaun. Eine Geschichte von Tränengas und Zärtlichkeit. ISBN 978-3-929517-91-0, 13,80 €

Ziegelgassler. Eine Kindheit nach dem Krieg. ISBN 978-3-929517-87-3, 12,80 €

Glock'n'Roll. Eine Jugend im Schatten der Martinskirche. ISBN 978-3-929517-95-8, 13,80 €

 

Weitere Informationen unter brandl-amberg.de.